Italienische Küche: Das Einfache, das schwer zu machen ist

Die Berliner lieben italienische Küche oder was sie dafür halten und ein jeder schwärmt von „seinem“ Italiener, der besonders authentisch und günstig sei und sich praktischerweise in fußläufiger Nähe zur Wohnung befindet. Doch meist lohnt ein Blick über den Kiez-Tellerrand, denn es gibt bedeutende Unterschiede zwischen der billigen Trattoria nebenan mit der ewig gleichen Standardkarte und den wirklich großartigen Läden, die nicht einmal viel teurer sein müssen.

Die gute italienische Küche erkenne man gerade an den einfachen Gerichten, sagt Gino vom Café Aroma in Schöneberg. „Viele Klassiker werden banalisiert, als könnte sie jeder zubereiten. Dabei sind Tagliatelle Bolognese oder Spaghetti al Pommodoro schwer zu kochen, weil die Tomatensoße perfekt sein muss und man keinen Spielraum hat. Man muss einfach wissen, wie es richtig geht.“ Darüber hinaus gelte die Faustformel: Je weniger Zutaten ein Gericht hat, umso besser muss deren Qualität sein: frischer Mozzarella, gutes Olivenöl, selbst gemachte Pasta. „Natürlich kostet das ein paar Euro mehr! Was meinen sie, wie lange es dauert, Pasta von Hand zu machen“, sagt Gino, „aber wenn man es dem Gast erklärt, dann versteht er das und erkennt auch den besseren Geschmack. Schon in unserer Karte gibt es viele Erklärungen zu den Rezepten, woher sie kommen und was das Besondere daran ist.“ Natürlich ist nicht jeder Hungrige bereit oder in der Lage, ein oder zwei Euros pro Essen mehr auszugeben. Aber erfolgreiche Lokale wie das Café Aroma haben sich über die Jahre hinweg mit Kontinuität und Kreativität ein Stammpublikum erkocht, das ihnen mit Begeisterung treu ist. „Man muss ein Gespür dafür entwickeln, was die Leute haben möchten und Gerichte vorsichtig neu interpretieren, ohne mit der Tradition zu brechen“, beschreibt es Gino. Denn auch in der Küche gebe es Trends, die man erkennen müsse, um den Kunden auch Neues bieten zu können.“

Sein Stammpublikum an Qualität zu gewöhnen und es von Zeit zu Zeit zu überraschen, das ist einer der Kniffe im harten Berliner Gastronomiegeschäft mit seinen vielen Hundert Restaurants. Und doch schafft es nicht jeder, sich nachhaltig zwischen der Billigkonkurrenz auf der einen und Edel-Italienern auf der anderen Seite zu positionieren. Das kleine familiengeführte Ristorante Zagato etwa konnte der ständig wachsenden Zahl der Mitbewerber rund um die Bergmannstraße nicht mehr standhalten und musste zum Jahresanfang nach 30 Jahren seine Türen schließen. Nicht besser erging es dem ebenfalls für seine Qualität und inspirierte Küche über die Bezirksgrenzen hinaus bekannten Cantamaggio in der Alten-Schönhauser-Straße. Um ein neues Lokal zu etablieren und einen stabilen Kundenstamm aufzubauen, bedarf es einiger Jahre Durchhaltevermögen. Seit 2005 betreiben Elvira und Roberto Presti das Pastapresti in der Friedrichshainer Wühlischstraße und inzwischen sind ihre selbst gemachten Nudeln ein fester Bestandteil der kulinarischen Vielfalt im Bezirk. Das Inhaberpaar legt Wert auf Qualität zum fairen Preis und so stammen alle Pasta-Zutaten vom Weizengries bis zum färbenden Gemüsepulver aus biologischem Anbau. Die Preise für ein Gericht liegen zwischen 5 und 7 Euro. Doch reicht die Geschmacksbildung der Berliner aus, um das Mehr an Qualität zu wertschätzen? „Es fängt an“, „sagt Elvira nach kurzem Nachdenken, „manchen Kunden ist nicht bewusst, warum es ihnen so gut schmeckt. Die kommen jahrelang zu uns bis ihnen auffällt, dass kein Ei im Griesteig ist und dass die sie eine perfekte Form und Konsistenz haben, weil unsere 1a-Nudelmaschine wirklich teurer war.“ Es sei eben nicht egal, welche Form die Pasta hat, denn ein Gericht wie Aglio e olio schmeckt auf Spaghetti anders als auf Penne. Sie selbst ist in einem italienischen Haushalt aufgewachsen, in dem alle zwei Tage Pasta mit Soße auf dem Tisch stand. Durch diesen Heimvorteil hat sie von vorneherein einen höheren Anspruch an die italienische Küche, weil sie weiß, wie die Gerichte sein müssen.

Täglich wechselt die Soßenkarte, auf der Klassiker stehen wie al Arrabiata und eine einfache Tomatensoße, aber auch eigene Kreationen mit saisonalen Zutaten wie die Soße aus Roter Beete, Datteln und Kokosmilch oder die mit Speck, Zuccini und Sahne oder jene mit Maroni und Mangold, zu der die Chefin die Pasta Mafaldi mit Curry-Gewürz empfiehlt. „Ich persönlich mah mehr die klassischen Sachen. Aber die Variationen kommen beim Gast sehr gut an und jeder schraubt dran und spielt damit – warum nicht!“ Und auch auf die echt italienische Atmosphäre, die der deutsche Gast so liebt, muss im Pastapresti niemand verzichten: „Nudel-Deko-Folklore ist uns im Grunde nicht wichtig“, sagt Elvira, „aber dieses heimelige, familiäre kommt irgendwie automatisch, schließlich formt man sich einen Arbeitsplatz, den man selbst mag.“ Oliver Numrich

  • Manidifata, Leonhardtstr. 4, 14057 Charlottenburg, Tel.: 030-32663306, 6,50€-11€ (Mittwoch Gnocci-Tag)
  • Muntagnola, Fuggerstr. 27, 12777 Schöneberg, Tel.: 030-2116642: 5,90€-12,50€ (selbst gebackenes Rosen-Chili-Brot!)
  • Pasta Bar Gianni Gillone, Schönhauser Allee 186A, 10119 Mitte-Prenzlauer Berg, Tel.: 030-44323830, 4,50€-5,90€
  • PastaPresti, Friedrichshain, Wühlischstraße 39A, 10247 Friedrichshain, Telefon: 030-29 04 79 38 5,20€-7,00€
  • Spaghetti-Western, Torstraße 179, 10115 Mitte, Tel.: 030-2033 9011
  • Café Aroma, Hochkirchstraße 8, 10829 Berlin, Tel.: 030-782 58 21

Dieser Beitrag erschien zuerst im tip-Magazin Berlin, Ausgabe 6-2012. Für Richtigkeit oder Aktualität der hier gemachten Angaben kann keinerlei Gewähr übernommen werden. 

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