Die britische Gruppe Premier Inn macht alles anders: Sie verkauft ihre Zimmer nicht über OTA’s, hat keinen Newsletter und kein Kundenbindungsprogramm. Trotzdem gehört sie mit 800 Häusern zu den größten Hotelketten Großbritanniens und schickt sich jetzt an, Kontinentaleuropa zu erobern. Den deutschen Hospitality-Markt hat Chief Operating Manager und Geschäftsführerin für Deutschland, Inge van Ooteghem, als besonders attraktiv ausgemacht. Was ist ihr Erfolgsrezept?
Das Segment der Budget-Hotels mit Qualitätsanspruch wächst weiter: Drei Hotels von Premier Inn gibt es bereits in Deutschland: in Frankfurt, Hamburg und München, 2020 kommen 20 (!) Häuser in zentraler Innenstadtlage dazu, unter anderem in Berlin, Leipzig und Nürnberg. Für 2021 sind vier weitere Neueröffnungen in Deutschland geplant.
Premier Inn hat hat vor seinem Markteintritts in Deutschland viel Marktforschung betrieben und festgestellt, dass es im Budgetbereich keinen Marktführer gibt, sondern viele, vornehmlich einheimische Player konkurrieren. „Es ist noch Platz für ein gutes Produkt im Economy-Sektor, das sich an Geschäftsleute und Familien gleichermaßen richtet“, fasst Inga van Ooteghem das Ergebnis der Überlegungen zusammen. „Als ‚New Kid on the block‘ haben wir außerdem deutliche Vorteile gegenüber den angestammten Mitbewerben.“
Die Zimmer bei Premier Inn sind zwischen 19 und 21 qm groß und damit rund 5 qm größer als die durchschnittlichen Zimmer bei Mitbewerber Motel One. Außerdem eignet sich jedes Zimmer durch das Aufbetten von Schlafsofas bzw. Ausziehbetten für eine vierköpfige Familie. Für Kinder bis zum 16. Lebensjahr, die im Zimmer ihrer Eltern schlafen, wird kein Aufpreis verlangt; selbst das Frühstück ist für sie im Preis enthalten. Die namensgebende Premiumqualität macht sich unter anderem fest an Betten des traditionsreichen englischen Herstellers Hypnos, Verdunkelungsvorhängen, Rainshower-Duschen und schallisolierten Zimmern. Schreibtisch und kostenfreies schnelles W-Lan sind ohnehin obligatorisch. Reichen diese Benefits aus, um ohne Expedia, Booking und Co auf eine hohe Auslastung zu kommen?
„Wir wissen, wie es in Großbritannien funktioniert“, sagt COO Inge van Ooteghem, „dort haben wir uns vor zehn Jahren entschlossen, ganz auf OTAs zu verzichten und kommen auf eine Belegungssrate von 80%.“ Eine Antwort auf die Frage nach dem Erfolgsgeheimnis von Premier Inn scheint die intensive Kommunikation zu sein. Die Basis bildet eine Suchmaschinen-optimierte Webseite mit einem schlanken, komfortablen Buchungsprozess. Darauf aufbauend findet ein aktives Review-Management auf Bewertungsportalen wie Tripadvisor, Holidaycheck und Google statt. So belegt das Premier Inn Frankfurt Platz 1 aller Hotels bei Tripadvisor, obwohl es nicht über das integrierte Portal buchen lässt. Interessenten werden stattdessen direkt auf die Hotelwebsite weitergeleitet. Auch arbeitet Premier Inn eng mit Journalisten und Influencern zusammen, nutzt Social Media wie Facebook und Instagram als Kommunikationskanäle und schaltet Werbung. Mithin nehmen van Ooteghem und ihr Team die Mühe auf sich, Sichtbarkeit und Wahrnehmung bei potentiellen Gästen zu schaffen, die andere Hotels zumindest teilweise an OTAs abgegeben haben.
Selbst auf einen Newsletter oder ein Kundenbindungsprogramm zur Incentivierung wiederholter Buchungen von Stammgästen verzichtet die Hotelgruppe. „Wir wollen die eingesparten Vermittlungsgebühren an alle Gäste gleichermaßen weitergeben“, sagt van Ooteghem, „deshalb haben wir kein Loyaltyprogramm., das Stammgästen bestimmte Privilegien exklusiv einräumen würde.“ Bei den Zimmerpreisen wird zwischen flexiblen und nicht-flexiblen Raten unterschieden. Wie bei Ketten üblich, sind sie sehr dynamisch an die tagesaktuelle Nachfrage gekoppelt – je früher, desto billiger. Allerdings mit einer festen Obergrenze von 249 Euro pro Doppelzimmer. „Wir haben uns entschieden, grundsätzlich nicht höher zu gehen, erklärt van Ootighem, weil wir möchten, dass das Preis-Leistungs-Verhältnis auch bei Events oder Messen stimmt, damit die Gäste gerne wiederkommen.“ Auch bei der Preisfindung ist Premier Inn im Vorteil gegenüber Hotels, die OTAs nutzen: Ratendisparität durch die Unterbietung der eigenen Preise auf Buchungsportalen ist ausgeschlossen.
Den Anspruch auf das Label „Premium Economy“ macht van Ooteghem auch an der persönlichen Betreuung des Gasts fest, wobei das sicherlich die allermeisten Hoteliers für ihre Häuser in Anspruch nehmen. Richtig ist aber, dass die Kommunikation mit dem Gast tatsächlich von Anfang an direkt und nicht vermittelt über ein Buchungsportal stattfindet. Weil der persönliche Kontakt so bedeutsam sei, stehen auch Checkin-Automaten in den deutschen Hotels nicht auf der Prioritätenliste. Allerdings arbeitet Premier Inn bereits an Lösungen für die Türöffnung via Smartphone-App, was eine automatisches Anmeldung ermöglichen würde.