Isla Café: Nachhaltige Entschleunigung

Wenn man von der tosenden Hermannstraße in das Isla Berlin eintritt, ist das wie eine Vollbremsung für strapazierte Großstädter- Sinne. In dem 80qm kleinen Café herrscht einmütige Ruhe: eine Kaffeemaschine duftet und schnurrt, einsame Digitalnomaden tippen auf ihren Laptops und im Hintergrund plätschert sanfter Elektropop. Der Raum wird von minimalistischen Leuchten erhellt, hinter dem Rückbüfett glänzt ein weißer Fliesenspiegel, überall stehen und hängen Pflanzen. Die schlichten Möbel aus Stahl und Holz sind noch vom Vorgänger, einem Gemüseladen, allerdings von einer Tischlerei vollständig auseinandergenommen, für den neuen Zweck anders zusammengesetzt und hochwertig versiegelt worden. Upcycling heißt das neudeutsch und ist Teil des ganz auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Gastronomiekonzepts von Inhaber Peter Duran. Dazu gehören auch die Kaffeetassen und Untertassen aus gepresstem Kaffeesatz. Dieser wird jeden Morgen von dem Ausfahrer der Backwaren mit dem Lastenfahrrad mitgenommen. Zur Nachhaltigkeit gehören auch die Sitzbänke im Hof, die zugleich Kompostanlagen für die Küchenabfälle sind oder die Verwendung der Milchreste vom Milchaufschäumen zur hauseigenen Joghurtbereitung. „Idealismus ist der neue Realismus“, sagt Duran, „denn unsere Ressousrcen werden immer knapper.“ Der einunddreißigjährige US-Amerikaner aus Detroit hat Sustainability Science studiert und als Nachhaltigkeitsberater in Amsterdam gearbeitet, bevor er 2014 nach Berlin kam. Hier absolvierte er im Kaffee 9 von Philipp Reichel in der Markthalle 9 eine Barista-Ausbildung und stieg schnell zum Head Barista auf inklusive Verantwortung für Einkauf, Rezepte und Qualität.

Als er im Juni 2016 mit dem Isla sein erstes eigenen Cafés eröffnete – der Name ist eine Reminiszenz an seine mexikanischen Wurzeln -, führte er beide Leidenschaften zusammen: für echte Nachhaltigkeit, die ganz auf Ressourcenschonung setzt, und für qualitativ hochwertigen Kaffee. „Wir schenken hier nur Spezialitätenkaffees aus mit über 80 von 100 Punkten auf der Skala der Speciality Coffee Association“, sagt Duran. Für ihn ist eines der wichtigsten Qualitätskriterien für Kaffee die Transparenz, also die Nachvollziehbarkeit von Herkunft und Röstverfahren, aber auch die Unterscheidbarkeit von Aromen und Geschmack einzelner Sorten – entgegen der Tendenz in der industriellen Kaffeeverarbeitung, bei der ein immer gleich schmeckender Durchschnittsstandard angestrebt wird. „Wir rösten unsere saisonalen Blends etwas heller als andere Spezialitätencafés, weil Säure und Aromen durch das Rösten abgebaut werden“, erklärt Duran, „man verliert Geschmack und gewinnt Rauch.“ Das Problem daran sei, dass die meisten genau mit dem Rauchigen den Kaffeegeschmack verbinden. „Wir versuchen einen Mittelweg zu gehen, nicht zu extrem, aber schon so, dass die Leute schmecken, dass es etwas anderes ist als normaler Kaffee. Denn normalen Kaffee hat man schon zuhause.“ Am besten könne man die verschiedenen Noten übrigens in einem Filterkaffee herausschmecken, der nicht so konzentriert ist wie ein Espresso. Für den perfekten Kaffeegenuss hat Duran eine Osmose-Anlage im Keller eingebaut – die dem harten Berliner Wasser das Kalk und andere Rest- und Schadstoffe entzieht. Vor der Verwendung wird das nun „leere“ Wasser mit Hilfe eines Kartuschensystems optimal remineralisiert. Am Ende hat der aufwändig erzeugte Spezialitätenkaffee seinen Preis: eine Tasse Filterkaffee kostet 2,40 €, der Cappuccino 2,80 €. Ob sein Café die Gentrifizierung des Neuköllner Schillerkiezes vorantreibe? „Ich sehe meine Café als eine Aufwertung und ich sehe Gentrifizeirung nicht nur als eine schlechte Sache“, antwortet Duran. „Unsere Sachen sind teuer, weil die Rohstoffe hochwertiger sind.“ Seine Margen dagegen seien durchaus Gastronomie-üblich. „Wenn das dazu führt, dass wir mit zu den teuersten in der Nachbarschaft gehören, finde ich das okay.“ Nachhaltigkeit müsse eben auch finanziell tragfähig sein und dürfe nicht Selbstausbeutung bedeuten.

Dabei sieht er sein Café als Praxismodell, in dem verschiedene Methoden zur Ressourcenschonung ausprobiert werden können. Alles wird systematisch in Excel-Tabellen ausgewertet: Was läßt sich optimieren, wiederverwenden oder einsparen. Er möchte seine Ergebnisse mit anderen Gastronomen teilen und dazu demnächst online eine Datenbank zur Verfügung stellen. Doch jetzt hat er erstmal genug damit zu tun, die Aufmerksamkeit von Medien und Publikum zu bewältigen, die ihm durch die Auszeichnung beim Gastro-Gründerpreis zuteil geworden ist. Der nächste Journalist wartet schon auf sein Interview…

Öffnungszeiten
Mo-Fr 7:30 bis 18 Uhr
Sa-So 9-18 Uhr

Infos
Team von 10 Personen
Sitzplätze innen: 36, Terrasse im Hof und ein paar Stühle auf der Straße macht 44 Sitzplätze außen
Kaffee 2,40€
Cappuccino 2,80 €
Backwaren ab 2,00 € (Kekse)
Mit Gemüse belegte Brote 4 €
Durchschnittsbon unter der Woche 6,50 €, am Wochenende 1,00 €.
Es gibt eine Tagessuppe, Müsli, Backwaren, am Wochenende auch warmes Frühstück und andere warme Gerichte.

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