Nach der ersten „Tour des Lebens“ der Upstalsboom-Auszubildenden auf den Kilimandscharo 2016 folgte im August 2018 die Fortsetzung. Auch die zweite Tour, die zum nördlichsten Polarkreis nach Spitzbergen führte, barg extreme physische und psychische Strapazen für die Teilnehmer.

Die Idee zur „Tour des Lebens“ hatte Bodo Janssen, Geschäftsführer der Upstalsboom-Hotels und Buchautor, bei einer Fachtagung der Dehoga im ostfriesischen Aurich. Als das Gespräch auf deutsche Auszubildende kam, hätten Kollegen abgewunken und erklärt: „Besorg Dir besser Spanier, die leisten mehr und sind günstiger“. Dieses negative Bild von Auszubildenden hat er zum Anlass genommen, um mit offenen Augen durch sein Unternehmen zu gehen, sagt Janssen. Tatsächlich habe er dabei auch Mitarbeiter angetroffen, die sich ungeschickt anstellen und mit gesenktem Blick durch die Flure schleichen. „Es ist auch kein Wunder, denn wenn ein junger Mensch bis zum 20. Lebensjahr ständig gesagt bekommt, was er nicht kann, wenn er zum Objekt von Eltern und Lehrern wird, die ihn nur auf Fehler hinweisen und ihm sagen ‚Aus Dir wird sowieso nichts‘, dann zweifelt er an sich, das geht an keinem spurlos vorüber.“ Janssen wurde klar, dass man diesen jungen Leuten die Chance geben musste, sich zu beweisen, damit sie Selbstbewusstsein tanken und ein Selbstwertgefühl aufbauen konnten.
Der Extremsportler und Mental-Coach Hubert Schwarz, mit dem Bodo Janssen befreundet ist, brachte ihn auf die Idee, mit Auszubildenden Exkursionen zu herausfordernden Zielen zu unternehmen. So bestieg eine Upstalsboom-Crew 2016 erfolgreich den Kilimandscharo, dieses Jahr ging es in den Norden, auf die norwegische Insel Spitzbergen. Aus Dutzenden Bewerbern hat eine eine Arbeitsgruppe eine Vorauswahl getroffen, in Trainingscamps wurde die körperliche Fitness der Teilnehmer verbessert, auf dem Programm stand LKW-Reifen ziehen und einen Tag im Team im Wald überstehen, es wurden ärztliche Eignungstest durchgeführt und weiter ausgesiebt. Immerhin mussten später in Norwegen 50 Kilo schwere Pulka-Schlitten mit der Ausrüstung gezogen werden. Am Ende blieben zehn Teilnehmer übrig: je zur Hälfte Männer und Frauen, einer aus jedem Upstalsboom-Haus, davon fünf mit besonders herausforderndem Hintergrund.

Anders als beim Kilimandscharo ging es nicht ums Bergsteigen und es standen ihnen auch keine Sherpas zur Seite. 140 Kilometer mussten die Teilnehmer bei bis zu minus 35 Grad zu Fuß zurücklegen, dabei lauerten Gefahren wie Gletscherspalten und Eisbären. Nur eine Woche vor der Beginn der Expedition wurde ein Guide von einem Eisbären angefallen und verletzt worden. „Wir mussten uns trotz unvollkommener Bedingungen auf den Weg machen“, erinnert sich Bodo Janssen und schlussfolgert „Wir warten manchmal zu lange auf perfekte Bedingungen, bevor wir losgehen. Aber manchmal kommt es darauf an, einfach loszugehen, denn die Bedingungen sind nie perfekt.“ Die Guides hatten der Truppe nur eine Chance von 20% eingeräumt, ihr Ziel zu erreichen. Sie waren auf ihrer Wanderung vollkommen abgeschnitten, es gab keinen Rettungshubschrauber, der irgendwo gewartet hat, um sie zu evakuieren, falls es Probleme gibt.
„Tageweise im so genannten „White out“ zu laufen, mit dem Gefühl, sich in einem völlig leeren, unendlich ausgedehnten grauen Raum zu befinden, ist nicht nur für die Navigation eine Herausforderung. Vor allem für die Psyche ist dies eine enorme Belastung – die Gedanken kreisen überall hin und zugleich macht es den Kopf frei“, so Janssen. „Und dann kommt der Moment, wo die Nebelwand aufreißt und die gesamte Schönheit dieser einzigartigen Polarlandschaft zum Vorschein kommt. Diese Bilder finden den direkten Zugang zu unserer Seele.“

Einer der Teilnehmer war Azubi Mathis Müller vom Upstalsboom-Hotel am Strand in Schilling. Seine Emotionen während der Reise reichten von „Ich will nach Hause“ bis „Es ist einfach geil“. Obwohl er die ersten drei Tage im „White Out“ mit einer Erkältung zu kämpfen hatte, hielt er dank der Unterstützung des Teams, das ihn mit heißer Zitrone versorgte und Motivation versorgte, durch und erreichte den Newtontoppen, den mit 1.722 Höhenmetern höchsten Berg Spitzbergens. „Oben angekommen gab es so viele emotionale Momente“, erinnert sich der Zwanzigjährige, „wir konnten die Familie anrufen und sagen, dass wir es geschafft haben. Das war mit Sicherheit einer der besten Momente meines Lebens!“ Zurück in Deutschland erreicht ihn die AHGZ auf dem Weg zur Arbeit, obwohl er erneut erkältet ist. „Nichts ist so hart wie Norwegen, weil da jeder Schritt weh tat, alle Glieder schmerzten“, sagt Mathis, „selbst wenn ich jetzt ein bisschen erkältet bin, sehe ich das nicht mehr als Herausforderung, trotzdem zur Arbeit zu gehen.“
Auch sonst tut das Upstalsboom viel für seine Mitarbeiter. So gibt es jährlich einen Azubi-Tag, an dem sich alle Auszubildenden mit Bodo Janssen treffen und über gemeinsame Herausforderungen oder Wünsche sprechen. In einzelnen Häusern werden den Auszubildenden Autos oder Fitnessräume zur Verfügung gestellt, andernorts gibt es kostenlose Massagen. Alle Mitarbeiter haben die Möglichkeit, einmal im Jahr an einem Klosterseminar teilzunehmen oder nach Ruanda zu einem Hilfsprojekt der Hotelgruppe zu reisen. Autor: Oliver Numrich
Fotos: ©Upstalsboom / Autor: Oliver Numrich. Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt. Dieser Artikel erschien zuerst in der Allgemeinen Hotel- und Gastronomie-Zeitung.