Berlin ist immer für eine Überraschung gut! Das gilt erst recht für Kreuzkölln, jene Grenzregion zwischen den zwei berühmt-berüchtigten Bezirken, auf denen sich viele kulinarisch Besonderheiten entdecken lassen. So auch in der Hasenheide 16, schräg gegenüber Huxleys Neuer Welt. Den Vorgarten des stattlichen weißen Gründerzeithauses durchfließt ein kleiner Wasserlauf, geschützt von einer Gitterrostdecke. Der von Grünpflanzen überwucherte Eingang ist leicht zu übersehen – hier befindet sich der japanische Teesalon „Macha Macha“.

Erik Spickschen, 48, hatte ihn bereits 2014 eröffnet, aber 2018 umfassend umgebaut und neu ausgerichtet. „Ich wollte damals einen Raum schaffen, in dem es ausschließlich japanischen grünen Tee gibt, sonst nichts“, sagt Spickschen, „keinen Säfte, keinen Alkohol, außer ein paar kleinen Süßigkeiten kein Essen, damit kein Geruch den Genuss des Tees stört.“ Doch sein damaliges Konzept war zu dogmatisch und ging nicht auf. Für diejenigen, die ohnehin japanischen Tee lieben, wurde das Macha Macha zwar zur Pilgerstätte, doch das waren zu wenige. „Trotz steigender Umsätze sind wir innerhalb von drei Jahren nicht aus den roten Zahlen gekommen“, so Spickschen, der BWL und Japanologie studiert hat.
Deshalb haben er und sein Gründerteam beschlossen, einiges zu verändern: Der zentrale Tresen, an dem für alle Gäste gut sichtbar der Tee zubereitet worden war, wurde an die Seite verlagert. Die weißen Wände mit japanischem Papier wichen einer dunkleren, wärmeren Wandfarbe. Und das separate Teezimmer im hinteren Bereich wurde geöffnet, so dass innen jetzt 38 Sitzplätze zur Verfügung stehen. „Man kann sich hier jetzt mit Freunden treffen, gegenüber sitzen und besser unterhalten als vorher“, sagt Spickschen und erinnert zwischen den Holzelementen und dicken Tauen, die als Raumteiler dienen, an Richard Chamberlain in der legendären TV-Serie „Shogun“.
Nach Umbau und Wiedereröffnung im Winter 2018 gibt es jetzt neben einer großen Teeauswahl auch einige authentische japanische Gerichte, darunter auch veganes und vegetarisches. Die Auswahl beginnt mit einer Miso Suppe für 2,50€, über gedämpfte oder gegrillte Onigiri (gefüllte Reisbälle) für 3,50 € oder Matcha Ochazuke-Suppe mit Shiso, Rettichsprossen, Reis und Kombu-Algen oder Umeboshi (einer sauer-salzig eingelegten Pflaume) für 7,50 € bis zum Menü für 9,50 €, bestehend etwa aus einer Suppe, Onsen Eiern (außen weich, innen halbhart), Onigiri und Tsukemono (fermentiertes Gemüse).

Die Tees werden im Glas oder der japanischen Teekanne Kyūsu serviert und kostet zwischen 4,50 Euro für einen feinsüß-herb ausbalancierten Matcha Midori und 10,00 € für ein 0,7l-Kännchen des deutlich nach Umami schmeckenden „Gyokuro“-Grüntees, der 30 Tage im Schatten herangezogen wurde, wodurch Bitterstoffe stark reduziert werden. Neben Matcha, japanischen Tee und neuerdings chinesischem Tee gibt es auch „Cold Brew“ und Tees mit Milch wie den Matcha Latte mit geschäumter Soja-Reismilch für 4,50 € oder einen Höjicha Cappuccino aus dunkel geröstetem Höjicha-Grüntee mit Karamellnote und Hafermilchschaum für 4,00 €.
Macha Latte, der grüne Cappuccino, ist das meistverkaufte Produkt im Macha Macha. Natürlich sei das Produkt eine gewisse Anpassung an den Massenmarkt, aber immer noch gesünder als ein Cappuccino mit Kuhmilch, weil die alle positiven Effekte des Tees reduzieren würde. Im Macha Macha wird statt Kuhmilchnur Soya-Reis-Milch, Dinkel-Mandel- oder Hafermilch verwendet. Weiterhin sind kleine Süßspeisen im Angebot wie der Matcha-Schokoladenkeks, ein Matcha-Cheesecake oder Matcha Choux, ein Windbeutel mit einem Kern aus Matcha-Anko-Creme und Mascarpone-Chantilly. Die süßen Desserts werden vor Ort vom französisch-japanischen Patisseur Trong Nghia Vu hergestellt, einem von vier Mitarbeitern, die im Macha Macha arbeiten.
Erik Spickschen stammt ursprünglich aus Hessen. Nachdem er sich aus dem operativen Geschäft des von ihm gegründeten Internet-Start-up zurück gezogen hat, reiste er immer wieder für mehrere Monate nach Japan, lernte die Sprache und entdeckte seine Liebe für japanischem Tee. Seine Vision ist es, den japanischen Tee in Berlin und dann in ganz Deutschland bekannter zu machen. „Ich glaube , dass in unserer hektischen Zeit der Tee uns allen gut tut“, sagt Spieckschen. Bereits die Zubereitung sei wie eine Mini-Meditation: „Man nimmt sich die Zeit, kocht Wasser, lässt es abkühlen, schlägt mit dem Bambusbesen auf, lässt den Tee ziehen – das ist was anderes, als auf dem Vollautomaten den Knopf zu drücken.“ Das Theanin habe eine entspannende Wirkung und selbst das Koffein im Tee wirke anders als im Kaffee, ist Spickschen überzeugt: „Beim Kaffee geht es unmittelbar in den Blutkreislauf, aber beim Tee gelangt das Koffein über vier bis sechs Stunden in kleinen Dosen über den Darm ins System und das hilft uns auf entspannte Weise, konzentrierter zu sein.“

Inzwischen ist das Publikum besser gemischt: Neugierige Nachbarn, Mitarbeiter aus den umliegenden Unternehmen, Neuköllner Hipster und weiterhin viele Teeliebhaber finden ins Macha Macha, darunter etliche Japaner, vor allem Expats, Künstler und Studierende mit Heimweh. „Geld zu verdienen steht bei Macha Macha nicht im Vordergrund“, sagt Spickschen. „aber der Laden soll sich selbst tragen können.“ Sicherlich gäbe es in Mitte mehr Touristen und zahlungskräftigere Kundschaft, aber in Kreuzberg sei es entspannter, auch durch den langfristig abgesicherten Mietvertrag. „Was die Location angeht, stehen wir kostenmäßig nicht unter Druck“, sagt er. Zukünftig möchte er weitere Filialen in Hamburg und Frankfurt eröffnen. Auch der Verkauf von losem Tee und Zubehör soll ausgebaut werden.
Mehr Informationen unter www.macha-macha.de
Autor: Oliver Numrich. Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt. Er erschien zuerst in der Allgemeinen Hotel- und Gastronomie-Zeitung.
Ein Kommentar Gib deinen ab