Nachdem in allen Bundesländern die Restaurants unter erheblichen Einschränkungen wieder geöffnet sind, werden einige der in der Corona-Krise ins Leben gerufenen Abhol- und Lieferdienste wieder eingestellt. Doch noch immer scheuen viele Menschen den Restaurantbesuch aus Angst vor einer Ansteckung mit Covid19. Erst vergangene Woche haben sich laut Medienberichten im Lokal „Alte Scheune“ im ostfriesischen Moormerland mindestens zehn Gäste mit dem gefährlichen Virus infiziert, 70 sind in Quarantäne. Derartige Vorfälle sorgen dafür, dass gerade ältere und vorerkrankte Personen Restaurants auch nach deren Wiederöffnung vorläufig meiden und stattdessen deren Lieferdienste nutzen.
Aus diesem Grund wird auch die Hanse Stube im Kölner Excelsior Hotel Ernst ihren Service „Hanse Stube to go“ fortführen. „Unter unseren Stammkunden sind viele ältere und gerade die sollten nicht in den Supermarkt gehen oder das Haus verlassen. Die sind froh, dass sie diese Option haben“, sagt Küchenchef Joschua Tepner.
Bereits vor der Schließungsanordnung wegen Covi19 Mitte März hatte man sich im Haus Gedanken über zusätzliche Hygienemaßnahmen und die Einrichtung eines Lieferdienstes gemacht. Immerhin hat die Hanse Stube jahrelange Erfahrung durch das „Gänse-Taxi“. Dabei liefert das Excelsior Hotel Ernst jedes Jahr zur Weihnachtszeit bis zu 900 fertig zubereitete Gänsebraten aus – auf Wunsch tranchiert – mit Beilagen, Gänserilette und Leihgeschirr.
Für die Hanse Stube To go sind sowohl die vorhandenen Kapazitäten für Verpackung und Lagerung der zubereiteten Speisen, die Fahrzeugflotte für die Auslieferung sowie die Liste der Besteller der letzten Jahre von unschätzbarem Wert. Doch statt einer 32-köpfigen Küchenmannschaft stand Tepner bis vor kurzem nur ein reduziertes Kernteam aus Küche und Rezeption zur Verfügung. „Wir haben mit dem Frontoffice die Touren geplant und die Azubis haben ausgefahren“, so Tepner. Besonderheit: Bestellungen werden sieben Tage die Woche, rund um die Uhr angenommen. Wer bis 18 Uhr bestellt, wird am selben Tag bis spätestens 22 Uhr beliefert. Dabei hat man sich bewusst gegen die Auslieferung über Dritte wie Lieferando entschieden. „Wir sind traditionell und da passt Lieferando nicht zum Haus“, sagt Tepner, „wir wollen auch den persönlichen Kontakt mit unseren Gästen.“ Die Bezahlung erfolgt auf verschiedenen Wegen, auf Wunsch auch in bar an der Haustür des Kunden. Anfangs erhielten die Azubis sogar in Kunststoff eingeschweißte Geldscheine – aus Sorge vor der möglichen Übertragung des Virus.
Die Kunden haben die Wahl aus verschiedenen Vorspeisen, Suppen, Hauptspeisen und Desserts. Alles wird vakuumiert geliefert und kann einfach im Wasserbad erwärmt werden. Tatsächlich gab es Gäste, die in den vergangenen sechs Wochen jeden Tag ein Menü bestellt haben und das auch weiterhin tun. „Für diese besonders treuen Stammgäste brauchen wir Auswahl und Specials zu Ostern oder Muttertag, da müssen wir flexibel sein“, sagt der 32-Jährige. Kleineren Betrieben rät er jedoch, ein festes Menü pro Woche zu entwerfen, damit es nicht zu kompliziert und aufwändig wird. „Wir machen den Lieferservice für unsere Gäste, damit wir Kontakt halten und sichtbar sind, aber nicht aus Gewinnzwecken.“ Der Service sei gerade so kostendeckend.
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Ein Liefermenü müsste eigentlich teurer sein als das gleiche Gericht im Restaurant, sagt Anja Schmidt, Mitinhaberin von Schmidt Z & Ko in Berlin, denn der Vorbereitungsaufwand für ein Essen to go sei ungleich höher als bei einem Verzehr im Restaurant. „Es war bisher eher ein Zusatzgeschäft, das etwa Liquidität gebracht hat, „zieht Schmidt ein Zwischenfazit, „man kann vielleicht die Miete aussetzen, aber man hat Gehälter, für die man zwei Monate in Vorleistung gehen muss, bevor das Kurzarbeitergeld von den Ämtern erstattet wird.“ Als eine der größten Herausforderungen bezeichnet sie die „Verpackungsarie“, die mit dem Liefergeschäft einher ging. Gerade weil sie nicht so viel Müll produzieren und nachhaltig verpacken wollten, was anfangs schwer umzusetzen war. Inzwischen hat Ralf Zacherl, der zusammen mit Mario Kotaska das „Ko“ im Namen bildet, ein System mit Transportboxen ausfindig gemacht, das sie in Zukunft verwenden werden. Die Mehrwegbehälter wurden unter anderem vom BUND speziell für den Take away-Bereich entwickelt worden und werden gegen Pfand in Höhe von 10 Euro abgegeben. Sie können bei 60 Grad hygienisch gereinigt und dann wiederverwendet werden. Die Gerichte selbst sind aber
Das Außerhausangebot des Schmidt Z & Ko umfasst pro Woche zwei oder drei Kleinigkeiten, drei Hauptgerichte und zwei Desserts. Vor Ostern ging Kalbsfilet sehr gut, dann Königsberger Klopse und Hackbraten, auch Lachsfilet und Spargelsalat – insgesamt eher relativ bodenständige Gerichte. „Die Abendküche im Schmidt Z & Ko bietet relativ komplizierte Gerichte an, aber die Familie am heimischen Esstisch erwartet etwas größere Portionen auf dem Teller, bodenständiger, auch wegen der Kinder“, so Anja Schmidt. Geliefert wird innerhalb der Ortsteile Steglitz, Friedenau und Schöneberg kostenlos, für weiter entfernte Ziele wird ein Obolus in Höhe von 7 Euro berechnet. Eine Auslieferung über Lieferando wurde wegen der Kosten zu keiner Zeit erwogen.
Die Kunden waren und sind vorwiegend Stammgäste, die auch den passenden Weinempfehlungen des Hauses gern gefolgt sind. Der Weinhandel ist für das Familienunternehmen von Anja und Carsten Schmidt, die auch das mit zwei Michelinsternen und 17 Gault Miliaut-Punkten ausgezeichnete Restaurant Rutz sowie seit kurzem das Alte Zollhaus in Kreuzberg betreiben, ein wichtiges zusätzliches Standbein.
In Zukunft wird es zwei verschiedene To go-Angebote im Schmidt Z & Ko geben: den Service per Pfandbox, deren vakuumierter Inhalt vom Kunden erwärmt wird – „regeneriert“, wie Zacherl es ausdrückt. Und einen Mittagstisch, der warm ausgegeben wird. Damit reagiert man auf die guten Erfahrungen mit dem Lieferangebot aber auch auf verringerte Platzzahl im Restaurant. Bis zur Corona-Krise wurden werktäglich 80 bis 100 Mittagessen verkauft. Doch jetzt sind aufgrund der Abstandsregeln die Sitzkapazitäten erheblich kleiner. Wer nicht auf einen freien Platz warten will, kann sein Gericht jetzt mitnehmen und im Büro verzehren.
Mittlerweile ist Schmidt skeptisch, ob die Gastronomie sich vollständig erholt: „Ob die Gäste angesichts der Maskenpflicht wirklich Lust haben, auszugehen ist die Frage.“ Sie befürchtet eine große Zahl von Insolvenzen im Gastronomiebereich zum Jahresende. „Es wird noch lange dauern, bis wieder Normalität einkehrt“, sagt sie nachdenklich.
Auch das Gourmetrestaurant 5 in Stuttgart bietet mittags und abends warme, tischfertige Gerichte „Ready to go“ und vakuumierte Menüs in einer Dinner Box an. Der Delivery-Service wird auch in Zukunft teilweise weiter aufrecht halten, wie Geschäftsführer und Inhaber Michael Zeyer gegenüber der AHGZ erklärt. Freitags steht darüber hinaus noch eine Gourmet Dinner Box mit einem zusätzlichen Gang, Brot und Maccarons zur Auswahl. Die Preise starten bei 35 Euro pro Person für vegetarische Varianten und gehen bis zu 125 Euro pro Person für die Gourmet Box.
„Ich würde empfehlen, nicht über den Preis zu verkaufen, nicht zu rabattieren“, sagt Zeyer, „Wir haben die Qualität und die Frische, die die Lieferdienste so oft nicht schaffen. Diesen Rabattierungsgedanke, man muss es noch billiger machen, damit die Leute es nehmen, haben wir gestrichen.“ Stattdessen möchte seine Gerichte so anbieten, dass es preislich funktioniert, das bedeutet ein paar Euro teurer als im Restaurant.
Der Lieferdienst hat bisher rund ein Drittel des Umsatzes des Restaurants erbracht. Das heißt: Das 5 hat damit keinen Gewinn gemacht, konnte aber zumindest Geld für die laufenden Kosten reinholen und Liquiditätsengpässe überbrücken.
„Für uns hat das funktioniert, weil wir die Mitarbeiter nicht zu 100% in Kurzarbeit schicken mussten, was für sie Einbußen bedeutet hätte“, so der 51-Jährige. „Und beim Hochfahren haben wir es etwas leichter, weil wir nicht von 0 auf 100 hochfahren mussten, sondern nur von 30 auf 100.“ Wichtige Erfolgsfaktoren waren dabei zum einen die enge Einbindung von Küchenchef Alexander Dinter, der die erforderlichen Fähigkeiten mitbringt. Aber auch die gute Verankerung mit der entsprechenden Bekanntheit. So hat das seit neuen Jahren erfolgreiche 5 viele Stammgäste , von denen sich über 7.000 für den Newsletter angemeldet haben. „So einen Newsletter braucht man, um so ein Lieferangebot schnell hoch zu fahren. Wenn man die Leute nicht erreicht, ist es schwer, so eine Aktion zu machen“, sagt Zeyer. Dazu kommen rund 8.000 Fans auf Facebook. Auch andere Plattformen wie YouTube oder Tripadvisor werden aktiv bespielt, mit dem Ergebnis, dass das 5 bei Tripadvisor auf Platz 1 aller Restaurants in Stuttgart steht. „Das wichtigste ist, dass man die Erwartungen des Gastes übertrifft. Wenn das so ist, ist er gern bereit, bei Tripadvisor ein Bewertung abzugeben. Aber nicht von alleine, man muss mit den Gästen sprechen und ein Kärtchen mit QM-Code dazulegen.“
Praxistipps für Restaurants bei Abhol- und Lieferdiensten
- Widerstehen Sie dem Erwartungsdruck: nur weil viele Restaurants jetzt in das Abhol- und Lieferessen einsteigen, muss es nicht sinnvoll für ihr eigenes Lokal sen. Prüfen Sie ehrlich, ob sich der zusätzliche Aufwand für Sie lohnen kann Dazu sind unter anderem eine breite Basis von Stammkunden und wirksame Kommunikationskanäle erforderlich.
- Verkaufen Sie nicht über den Preis! Klassische Lieferdienste werden immer günstiger sein. Aber Restaurantkunden, zumal Stammkunden, erwarten hohe Qualität und Frische und sind bereit, dafür etwas mehr zu bezahlen.
- Legen Sie standardisierte Routinen für alle Arbeitsschritte von der Annahme der Bestellungen, über Bezahlung bis zur Abholung beziehungsweise Lieferung ein. Eine klare Arbeitsteilung zwischen Service (Bestellabwicklung, Ausgabe/Lieferung) und Küche (Herstellung, Konfektionierung) verringert Reibungsverluste.
- Bieten Sie nicht zu viele Varianten an, die Bestellung und Auslieferung zusätzlich verkomplizieren.
- Testen Sie selbst alle Arbeitsschritte mindestens einmal, die der Kunde erledigen muss. Geben Sie dem Kunden klare Anweisungen, wie er die Speisen erwärmen und anrichten kann, um ein optimales Ergebnis zu erzielen. Fordern Sie ihn auf, Feedback zu geben und zum Beispiel Fotos von den Tellern zu schicken.
- Nutzen Sie Ihren Brief- oder E-Mailverteiler,, Pressearbeit und Social Media Kanäle wie Facebook, Instagram oder YouTube, um für Ihre Abhol- und Lieferangebote zu werben.
- Das gesamte Restaurantteam, der Küchenchef voran, muss das Projekt Abhol-/Lieferservice mittragen wollen und können.
- Die Auslieferung sollte nach Möglichkeit durch eigenes, geschultes Personal erfolgen, denn es is der einzige direkte Kontakt des Kunden mit „seinem“ Restaurant.
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