Das heutige Schlosshotel Berlin by Patrick Hellmann wurde 1914 als Palais Panwitz errichtet. Bauherr Walter Sigismund Emil Adolf von Pannwitz und seine Frau Catalina haben im Grunewald ein Refugium geschaffen, das seine Bewohner bis heute von den Widrigkeiten des Alltags abschirmt.
Um die Bedürfnisse seiner Gäste ebenso geräuschlos wie zuverlässig befriedigen zu können, bedarf die Schlossoase eines versierten Kastellans. Hoteldirektor Stefan Athmann ist seit September 2019 dieser moderne Burgvogt. Sein konziliantes Auftreten schmeichelt jedem Gast, der sich ein bisschen fühlen darf wie Kaiser Wilhelm der Zweite auf Staatsvisite.
Auch Repräsentation gehören zu den Pflichten von Hoteldirektor Stefan Athmann: Er begrüßt die Botschafterin Serbiens zu einer Tagung, beglückwünscht ein junges Hochzeitspaar im Bankettsaal und nimmt am Mobiltelefon die Zimmerbuchung eines prominenten TV-Moderators entgegen. Zwischendurch notiert er Zahlen in sein „GM Pad“, das er immer bei sich trägt. Das General Manager Pad ist ein in Leder eingefasstes, schmales Notizbuch mit ein paar Visitenkarten und etwas Notgeld. „26, 32, 40“ – es sind die Nummern der Suiten, die er vor Ankunft der Gäste noch einmal selbst in Augenschein nehmen will.
Andere Notizen bezeichnen Lampen, deren Glühirnen erneuert werden müssen. „Ausgefallene Leuchtmittel machen mich fertig“, bekennt Athmann, „Wenn im Kronleuchter im Ballsaal nicht alle Lichter brennen, stört mich das einfach.“ Außerdem achtet er peinlich genau auf Sauberkeit. „Wenn man ein Hotelzimmer betritt, dann muss es sich gut anfühlen und gut riechen.“ Schließlich seien es genau diese Details, an denen der Gast eine gute Hausleitung festmache. Und abgesehen davon muss man als Direktor eines 5-Sterne-Hauses wahrscheinlich ein penibler Perfektionist sein.
Stefan Athmann stammt aus einer Kleinstadt in Niedersachsen. Zum Gastgewerbe ist der durch einen Ferienjob auf Wangerooge gekommen. Dabei war ihm schnell klar, dass er in die 5-Sterne-Hotellerie gehen möchte. Denn nur hier könne man die Gäste noch verwöhnen und ihnen wirklich ein Zuhause auf Zeit bieten. Seine Ausbildung hat er im Hotel Atlantic Kempinski in Hamburg absolviert; die erste Station danach war das Hotel Bristol am Kurfürstendamm, damals Kempinski. 25 Jahre, drei Kinder und Stationen in Irland, Griechenland und Usbekistan später ist Athmann wieder in Berlin. Jetzt in einer Doppelrolle: Er leitet nicht nur das Schlosshotel mit 100 Betten, sondern führt auch das mit 600 Betten weitaus größere Hotel Bristol. Beide Häuser gehören zur Immobilienholding Aroundtown, über die Athman kaum Worte zu entlocken sind. Nur so viel: „Ich bin in enger Abstimmung mit dem Management, aber man lässt mich machen und das ist genau das Richtige, was die Menschen im Hintergrund zulassen können müssen.“
Der Arbeitstag des 49-Jährigen dauert für gewöhnlich zwölf Stunden und wird zwischen beiden Hotels gesplittet. „Die optimale zeitlichen Aufteilung findet sich gerade noch. Es ist davon abhängig, was in den Häusern los ist. Ich bin da, wo ich gebraucht werde.“ Momentan ist er mehr im Bristol und fährt am nachmittag über das Schlosshotel nach Hause. Er wohnt mit seiner Frau und den drei Söhnen um die Ecke. Athmann engagiert sich nebenbei in der DEHOGA, bei Visit Berlin Partnerhotels und im Lions Club. In seiner Freizeit macht er Dauerlauf, spielt Tennis oder Golf („viel zu selten“).
Dem Investor geht es naturgemäß um den Revenue beider Häuser. Und diesen zu steigern, ist nicht erst seit Corona ein hartes Brot. Die Auslastung liegt im Schlosshotel im Bereich von 60%, im Bristol höher, aber hier soll das Ratenniveau angehoben werden. Aktuell sind Zimmer ab 88 Euro pro Nacht zu haben. Das liegt auch am harten Preiswettbewerb in der Hauptstadt. „Als ich 1995 hier war, gab es in ganz Berlin 45.000 Betten. Heute sind es mehr als 130.000“, erinnert sich Athmann, „Und da ist es klar, dass ein neues Produkt anders einschlägt, als ein altehrwürdiges Haus.“ Der Manager fokussiert sich deshalb auf den Verkauf durch offensives Marketing, die Nutzung siener Netzwerke und die vielen Kontakte, etwa zur Berlinale, zur Medienwelt und in die Modebranche.
Leicht wird es indes nicht: die meisten Messen und Kongresse sind wegen Covid19 abgesagt, ausländische Touristen fehlen und zudem leiden etliche Zimmer im Bristol unter einem langjährigen Investitionsstau. Zwar wurde die Lobby effektvoll umgestaltet, aber mitunter entspricht der gebotene Ausstattungsstandard nicht mehr den Erwartungen. Das spiegelt sich auch in den teils schneidenden Onlinebewertungen wider. Jede Rückmeldung von Gästen wird in der Morgenrunde besprochen und darüber beratschlagt, ob schnelle Abhilfe möglich ist. „Wir nehmen jede Bewertung sehr ernst“, sagt Athmann, „aber 1-Stern-Bewertungen ärgern mich persönlich, weil unsere Häuser nicht so schlecht gewesen sein können.“
Trotz dieser Herausforderungen hat der Niedersachse den Anspruch, Wirtschaftlichkeit und Geschmack zu versöhnen. Er trägt immer Anzug, Krawatte und Manschettenknöpfe. Nicht, weil es in einem 5-Sterne-Haus angemessen ist, sondern weil er es mag. „Ich muss mich wohlfühlen, das ist für mich wichtig. Und ich fühle mich wohl, wenn ich auf eine bestimmte Art gekleidet bin.“
Was braucht man noch, als Direktor zweier Luxushotels? „Man muss Lust am Umgang mit Menschen haben und die entsprechenden Umgangsformen mitbringen, aber auch Ehrgeiz und Zielstrebigkeit“, sagt Athmann. Eine zentrale Fähigkeit in seiner Position sei rhetorisches Geschick. Ob es um Konflikte im Mitarbeiterteam geht oder Beschwerden von Gästen: Immer sei es das wichtigste, den richtigen Ton zu treffen, und mit diplomatischem Geschick für die Lösung der Probleme zu sorgen.
Für die Zeit nach Corona wünscht er sich, dass die Berliner Politik die positive Bedeutung der Tourismuswirtschaft anerkennt und die hiesigen Hotels an einem Strang ziehen, wenn es darum geht, die durchschnittlichen Zimmerraten anzuheben. „Kein Hotel will in Schönheit sterben, aber wir dürfen nicht um jeden Preis die Zimmer füllen.“