food revolution 5.0: Was Gastronomen in der Zukunft servieren

Eine ungewöhnliche Ausstellung macht derzeit in Berlin Furore: In „food revolution 5.0“ geht das Kunstgewerbemuseum der Frage nach, wie die Zukunft der menschlichen Ernährung aussehen kann. Dazu verlässt das Museum klassische Ausstellungsformate und sucht nach Widersprüchen: Innovative Technologien wie die Algenplantage für die Hauswand oder die Insektenzuchtstation für die heimische Küche werden mit utopischen Konzepten vom 3D-Lebensmitteldruckern kontrastiert, neben ästhetischen Geschirren aus Kompostabfällen und organisch geformten Trinkgefäßen werden schockierenden Großfotos von Massentierhaltung und ein in seine Bestandteile zerlegtes, in Silikon gegossenes Schwein gezeigt. Der Dialog setzt sich in begleitenden Veranstaltungen wie einem Sommer Food Markt und „Fishbowl-Diskussionen“ mit Performances, in Workshops und selbst in der Umgebung des Kulturforums fort, auf dessen weitläufigen Plätzen Feldraine aus Obstbäumen und Nutzpflanzen angelegt wurden. „Ich möchte mit der Ausstellung Food Revolution 5.0 das Bewusstsein der Besucher schärfen, zukünftig in anderer Form über ihre Nahrung nachzudenken“, sagt Kuratorin Dr. Claudia Banz, „nicht nur unter dem Aspekt des Genuss‘, sondern auch die Sinne schärfen für die Probleme, die mit der Nahrungsproduktion  zusammenhängen, die von Bodenspekulation, über Tierwohl bis zum Klimawandel reichen.“

„Volumes“ von Marije Vogelzang
„Volumes“ von Marije Vogelzang zum Auffüllen von Tellern.

Für Gastronomen und Hoteliers hält die Ausstellung etliche Anregungen parat, etwa durch „Volumes“ von Marije Vogelzang. Volumes sind farbige, amorphe Keramikformen, die mit dem Essen auf einem Teller gruppiert werden und ihn voller erscheinen lassen. Hintergrund der Arbeit ist, dass das menschliche Gehirn die Zutaten auf einem Teller nicht genau abmisst, sondern beim Servieren mit einem Blick erfasst. Durch Volumes sieht der Teller voll und attraktiv aus, ohne dass der Gast zu viel Nahrung aufnehmen muss. In die gleiche Richtung gehen Arbeiten mit unterschiedlichen Besteck- und Tellergrößen: Je voller ein Teller wirkt, je häufiger der Speisende die Gabel oder den Löffel füllen und zum Mund führen muss, umso satter fühlt er sich. Auch Algen könnten in unterschiedlicher Form bereits heute Eingang in die Gastronomie finden. Sie dienen als Nährstofflieferanten, aber auch als Material für Gefäße und Geschirre. Sie könnten auch hierzulande an der Hauswand eines Hotels gezogen werden, wie das ausgestellte Modul eines Algenreaktor für die Fassade der MINT Engineering GmbH demonstriert.

„Seaweed Meat“ von Hanan Alkouh sieht aus wie Fleisch und schmeckt wie Speck!
„Seaweed Meat“ von Hanan Alkouh sieht aus wie Fleisch und schmeckt wie Speck!

Ergänzend dazu zeigt die Ausstellung die Arbeit „Seaweed Meat“ von Hanan Alkouh, die versucht, die Themen Algen und Fleischerhandwerk zusammen zu bringen, indem sie das Wissen eines Metzgers nutzt, um eine Algennahrung zu kreieren, die optisch und geschmacklich an Fleisch- und Wurstwaren erinnert. Als Grundstoff verwendet sie die bräunliche Dulse-Alge, die gebraten wie Schinkenspeck schmeckt und gleichzeitig als Superfood gilt, voller Mineralstoffe, Vitamine und Antioxidantien.

Ausgestellt wird auch die Arbeit „Schwein1738“ der Schweizer Designerin Andrea Staudacher. Staudacher ist bekennende Fleischesserin, die Bewusstsein für unseren Fleischkonsum schaffen will. Um Herkunft und Produktion des Fleisches im wahrsten Sinne transparent zu machen, hat sie alle Stücke des von ihr selbst zerlegten Hausschweins einzeln in Silikon gegossen und in durchsichtige Plexiglasquader verpackt. Die Besucher können das „Schwein1738“ aus diesen Glasbausteinen wieder zu einem vollständigen Tier wie ein Puzzle zusammensetzen und sich dabei mit Form, Farbe und Position der Fleischstücke beschäftigen. Wagt ein Restaurant ein derart provozierende Auseinandersetzung mit seinen Zutaten? Schon heute kann der Gast etwa  im italienischen Steakhouse „To the Bone“ in Berlin sein Steak vor der Zubereitung aus einer Auswahl vakumierter Stücke auswählen. „Es geht mir bei Food Revolution 5.0 auch darum, spekulative Ernährungsutopien als Gegenpol zu Best Practise-Beispielen aus der Gegenwart zu zeigen“, sagt Dr. Claudia Banz. So auch bei „In Vitro-Me“ von Chloe Rutzerveld, bei der es um die Herstellung von In-Vitro-Fleisch geht, oder beim „Digital-Food“-Konzept von Marti Guixe, bei dem mittels 3D-Drucker individuelle Nahrungsmittel auf Grundlage der Messungen von persönlichen Fitness-Trackern hergestellt werden.

Food Revolution 5.0 ist noch bis zum 30.9.2018 im Kunstgewerbemuseum Berlin, Kulturforum, Matthäikirchplatz, zu erleben. Die nächste Veranstaltung ist am 13. September 2018 die Gesprächsrunde „Essen-Markt-Wirtschaft“ zu Visionen, Ideen und Best-Practise-Beispielen für die zukünftige Ernährungsökonomie. Zur Webseite.

Der Artikel erschien zuerst auf ahgz.de

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